Neo-Liberalismus und Generalstreik in Sudkorea


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À̸§: labor95 on February 03, 1998 at 01:43:15:

Manuskript fur den Vortrag

bei der TIE-internationalen Konferenz mit dem Hauptthema:

"Towards an New Transnational Labour Response
to Lean Production and Neo-Liberalism"

am 7. Marz 1997
Frankfurt/M.

Dr. Hwang, Ki-Don:
Mitglieder des Korean Institute for Labor Studies & Policy,
Lehrbeauftragter an der Hanshin Universitat(Korea)

"Neo-Liberalismus und Generalstreik in Sudkorea"


I DATEN UND FAKTEN UBER DEN GENERALSTREIK
I.1 CHRONIK
I.2 ZUSTAND DES KAMPFES
I.3 ZAHLEN UND ANTEILE
I.4 REAKTIONEN DER ARBEITGEBERVERBANDE UND OPPOSITIONSPARTEIEN
I.5 UNTERSTUTZUNGEN VON IN- UND AUSLANDISCHEN ORGANISATIONEN UND
SOZIALBEWEGUNGEN
I.6 SONSTIGE
II GESELLSCHAFTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN DES GENERALSTREIKS
II.1 UNMITTELBARER GRUND: VERLETZUNG DES PRINZIPS DER FORMALEN DEMOKRATIE
II.2 POLIT-OKONOMISCHER GRUND: EINE SUBTILE MISCHUNG VON VORMODERN UND
POSTMODERNE ALS KOREANISCHE SPEZIFIKA DES NEO-LIBERALISMUS
II.3 ZUR CHARAKTERISIERUNG DER REVISIONIERTEN ARBEITSGESETZE
III ZUR CHARAKTERISIERUNG DES KAMPFES
III.1 SUBJEKTE DES KAMPFES
III.2 ZIELE DES KAMPFES
III.3 STRATEGIEN DES KAMPFES
III.4 VERGLEICH MIT DEM ?JUNI-KAMPF? UND DEM ARBEITERINNENAUFSTAND JULI-AUGUST
1987
IV BEDEUTUNGEN DES KAMPFES
IV.1 HISTORISCHE BEDEUTUNGEN FUR DIE SUDKOREANISCHE ARBEITERINNENBEWEGUNG
IV.2 BEDEUTUNGEN FUR DIE INTERNATIONALEN ARBEITERINNENBEWEGUNGEN
V PROBLEME
V.1 TRENNUNG DES KAMPFES GEGEN DEN STAAT VON DEM GEGEN DAS KAPITAL.
V.2 STRATEGIE DES 'STRATEGISCHEN RUCKZUGS'
VI ZUSAMMENFASSUNG UND PERSPEKTIVE


I Daten und Fakten uber den Generalstreik


I.1 Chronik

Erste Phase 26. Dez. 1996 - 16. Jan. 1997

26. Dez. 1996 - Aufruf des Dachverbandes demokratischer Gewerkschaften
(KCTU: Korean Confederation of Trade Unions) zum
unbefristeten Generalstreik(Streiks von 95 Gewerkschaften,
150 Tsd. Pers.)
27. Dez. 1996 - Aufruf des FKTU(Federation of Korean Trade Unions) zum
befristeten Streik bis 31. Dez. 1996 (Streiks von 486
Gewerkschaften, 157 Tsd. Pers.)
3. Jan. 1997 - Streiks von Gewerkschaften der Automobil- und
Metallindustrien
6. Jan. 1997 - Streiks von Gewerkschaften der Hyundai-Gruppe, von
Krankenhausern, Regionalen Krankenversicherungen,
Chemieindustrien und Bauindustrien
7. Jan. 1997 - Pressekonferenz des Prasidenten(Rechtfertigung der
Gesetzesrevision und Kampfansage gegen die Streikenden)
- Haftbefehl gegen die Streikfuhrer
- Streik von "Krawatten-Truppe"(Gewerkschaften von 4 TV- und
Radio-ArbeiterInnen, des Finanzsektors(Versicherung und
Nicht-Banken),
- Streiks von Gewerkschaften des offentlichen Sektors(kor.
Telecom, Seouler U-Bahn u.a.)
14. Jan. 1997 - Erneuter Streik des FKTU(Taxi, Banken u.a.)
15. Jan. 1997 - Gemeinsame Pressekonferenz der beiden Gewerkschaften:
Beratung und Erklarung uber die gemeinsamen Kampfe
- Stra©¬enschlachten in verschiedenen Regionen, teilgenommen
ca. 200 Tsd., verhaftet ca. 200 Pers.

Zweite Phase 17. Jan. 1997 -

17. Jan. 1997 - Bereitschaftserklarung des Prasidialamts, sich mit den
Oppositionsfuhrern zu treffen, um die Problematik der
revisionierten Arbeitsgesetze zu re-diskutieren
- Entscheidung des KCTU fur den 'Mittwochsstreik'
18. Jan. 1997 - 'Tag des Volks-Generalaufstandes
22. Jan. 1997 - 1. "Mittwochsstreik"
24. Jan. 1997 - Demonstration von 100 Tsd. Pers.

Ende der 2. Phase des Generalstreiks

I.2 Zustand des Kampfes

- Kompromi©¬ zwischen den Parteien uber den Inhalt der neuen Arbeitsgesetze
- Geruckt jedoch in die Peripherie der politischen Diskussionen, mindestens in
der Offentlichkeit, aufgrund der Konkursmeldung einer Chaebol(Hanbo) und der
Asylsuche eines Hochfunktionars Nordkoreas
- Umbildung der Regierung und der Regierungspartei
- Bereitschaftserklarung des KCTU, nochmals zu streiken, falls die Regierung
bis Ende Feb. neue Arbeitsgesetze entsprechend den Forderungen des KCTU
beschlie©¬en wurde.

I.3 Zahlen und Anteile
vom 26. Dez. 1996 bis 15. Jan. 1997

I.3.1 KCTU

(1) Zahlen der am Streik Beteiligten

26.Dez.1996 30.Dez.1996 6.Jan.1997 14.Jan.1997 15.Jan.1997
Gewerkschaft 85 186 148 212 388
Teilnehmer 143 Tsd. 214 Tsd. 190 Tsd. 211 Tsd. 351 Tsd.

- Gesamtzahl der beteiligten Gewerkschaften: 528
- Gesamtzahl der TeilnehmerInnen: 1.100 Tsd

(2) Anteile der am Streik Beteiligten nach Sektoren
26.Dez.1996 30.Dez.1996 6.Jan.1997 14.Jan.1997 15.Jan.1997
Produktion 88,2 % 68,3 % 66,2 % 33,0 % 34,5 %
Nicht-Produktion 10,6 % 17,2 % 33,8 % 47,6 % 49,5 %
offentlicher 1,2 % 14,5 % 0 19,3 % 16,0 %

I.3.2 FKTU
- Gesamtzahl der beteiligten Gewerkschaften: 1510
- Gesamtzahl der TeilnehmerInnen: 378 Tsd

I.4 Reaktionen der Arbeitgeberverbande und Oppositionsparteien
Passiv und Opportunistisch

I.4.1 Arbeitgeberverbande

- Behauptung, ?Streiks seien eine politische, deshalb müßten sie politisch
gelost werden".
- Schuldzuweisung an die Regierungspartei.
- Erhebung der Anklage gegen die Vorstandsmitglieder der bestreikten
Einzelgewerkschaften
- Entlassung der Streikfuhrer der Einzelbetriebe,
- keine Lohnbezahlung im Streik,

I.4.2 Oppositionsparteien

- in der Anfangsphase, keine Kommentare oder Appell an Streikenden, Streiks zu
beenden;
- spater, befurwortet fur die Streiks
- Vorschlag an die Regierungspartei, im Parlament Kompromi©¬ zu suchen

I.5 Unterstutzungen von in- und auslandischen Organisationen und
Sozialbewegungen

29. Dez. 1996 - Umorganisierung des 'Komitees fur die demokratischen
Arbeit-Kapital-Verhaltnisse und Reform der Gesellschaft' ins
`Komitee fur die Au©¬erkraftsetzung der verschlechterten
Arbeitsgesetze und Staatssicherheitsgesetze und fur die
Verteidigung der Demokratie'
- Protesterklarung der AFL-CIO
- Protestversammlung von religiosen Organisationen und
Sozialbewegungen
30. Dez. 1996 - Sitzstreik von Professoren
2. Jan. 1997 - Anfang der 'Bewegung der Ungehorsam', initiiert von
Rechtsanwalten
4. Jan. 1997 - Teilnahme des FKTU am Komitee
7. Jan. 1997 - Protestbrief von ICFTU am Prasident Kim
8. Jan. 1997 - Unterstutzungserklarung britischer, italienischer,
taiwanischer US-amerikanischer Gewerkschaften
- Protesterklarung von 62 Jura-Professoren
- Protesterklarung von einigen Gesellschaften fur Wissenschaft
9. Jan. 1997 - Protestbrief von ILO am Prasidenten Kim
- Protesterklarung von Professoren und Kulturellen
10. Jan. 1997 - Protestbrief von der deutschen IG-Metall am Prasidenten Kim
- Anfang der Demos vor den koreanischen Botschaften in 18
Landern
11. Jan. 1997 - Demonstrationen in 20 Regionen, initiiert vom Komitee,
teilgenommen insg. ca. 100 Tsd.
- Protestbesuch der VertreterInnen der internationalen
Gewerkschaftsorganisationen (ICFTU, ITS, OECD-TUAC)
- Protesterklarung von 1105 'normalen Hausfrauen'

I.6 Sonstige

- Vorschlag von Richtern fur die Uberprufung der Verfassungswidrigkeit des
Haftbefehls gegen die Streikfuhrer
- Austritt der 38 Gewerkschaften im Bereich Banken und Finanz aus dem FKTU


II Gesellschaftliche Rahmenbedingungen des Generalstreiks

II.1 Unmittelbarer Grund: Verletzung des Prinzips der formalen Demokratie
- 'gesetzwidrige' Verabschiedung der insg. 11 gesetzlichen Veranderungen,
einschlie©¬lich der Arbeitsgesetze und Staatssicherheitsgesetze im Parlament,
6 Uhr morgens, in 7 Minuten, ohne Teilnahme der Oppositionsparteien.

II.2 Polit-okonomischer Grund: eine subtile Mischung von Vormodern und
Postmoderne als koreanische Spezifika des Neo-Liberalismus

(1) auf der betrieblichen Ebene: okonomische Flexibilisierung des
Arbeitsprozesses und des Denkens und Handelns der ArbeiterInnen

a. Einfuhrung der lean production als strategisches Mittel fur die quantitative
Flexibilisierung des Arbeitsprozesses, also fur das Ersparen der
Arbeitsmittel, Arbeitskrafte und fur die Intensivierung der Arbeit

b. Einfuhrung des sog. ?Neuen Humankapital-Managements"
- zur Erhohung des betriebsspezifischen Arbeitspotentials durch den Drang zur
Weiterbildung mit eigenen Kosten und die Verstarkung der innerbetrieblichen
Mobilitat(?Job-Rotations"),
- zur Flexibilisierung des Entlohnungssystems mit Hilfe des Ersatzes
des ?Senioritatsprinzips" vom Leistungslohn-Prinzip
- Transformation der Strategie der ideologischen Bildung, von der
Ideologie ?Unternehmen als Familie" in die Betonung der nationalistischen
Kriegermentalitat, also die ArbeiterInnen seien Industriesoldaten im
Wirtschaftskrieg gegen die auslandischen Konkurrenten

c. Gewollte Folgen
- Verstarkung der (Selbst-)Kontrolle uber die ArbeiterInnen,
- zwischengenerationelle Spaltung der ArbeiterInnen
- Zwang zu den Gewerkschaftsaktivisten, die weder Zeit noch Geld fur die
Akkumulation des Humankapitals haben.
- der sog. ?Ehren-Vorruhestand" der relativ alteren ArbeiterInnen, aber schon
im Anfang der 30 in den Ruhestand
- Angst vor Entlassung
- Leiden durch die verstarkte Arbeitsintensitat

(2) auf der rechtlichen Ebene: eine subtile Mischung von Postmoderne und
Vormoderne

n 5 Prinzipien bei der Revision der Arbeitsgesetze: "Win-Win-Game", "fair
judge", "im Interesse der Konsumenten", "mutual Benefits", vor allem
Deregulierung

a. Postmodernisierung der Arbeitsprozesse
- Neuregelung der Arbeitszeit,
- Legalisierung des Leiharbeitssystems und
- Legalisierung der beliebigen Entlassung:
n Untermauerung der Intention der Arbeitgeber, die ArbeiterInnen massenhaft
zu entlassen, als Folge der Einfuhrung des lean production Systems:
koreanische Spezifika: Legalisierung der Massenentlassung zwecks der
Ermoglichung der Massenentlassung ohne zusatzliche Kosten, die bis dahin die
Arbeitgeber den mit ?Ehre" in den Ruhestand Gehenden bezahlen mu©¬ten.

b. Beibehaltung der vormodernen Arbeitsverhaltnisse
- Ignorierung der Forderungen, wie die Legalisierung der zweiten
Gewerkschaften, Abschaffung der Verbotsklausel der 'Einmischung der
Dritten', politischen Aktivitaten der Gewerkschaften und der
LehrerInnen-Gewerkschaften

Also, Forderung auf die Normalisierung der Arbeitsverhaltnisse bzw. die
Modernisierung der vormodernen Arbeitsverhaltnisse ist aufgrund der
postmodernen Denkweise des Kapitals und Staats ignoriert.

Ziele der Revision der Arbeitsgesetze: Verstarkung der realen Herrschaftskraft
des Kapitals

- Abschwachung bzw. Restriktion der Gewerkschafts- und ArbeiterInnenbewegungen
mit Hilfe der Revision der Staatssicherheitsgesetze in dem Sinne ist die
lean-production materielle Basis fur den neo-liberalistischen Angrff und die
Gesetzesrevision seine gesetzliche Untermauerung

II.3 Zur Charakterisierung der revisionierten Arbeitsgesetze

a. Globalisierung der Okonomie als Fessel fur die formale Demokratie der
neo-liberalen Politik
- Globalisierung der Okonomie ist fur die Regierung und Arbeitgeber keine blo©¬
e Bedrohung, sondern Wirklichkeit, die uber die Angriffe auf die
ArbeiterInnen zu uberwinden ist, um okonomisch zu uberleben und damit
politische Legitimation des Staates zu erhalten.

Die Verwertungsbedingungen des Kapitals unter den Bedingungen der sich
verstarkenden internationalen Konkurrenz des Kapitals schranken die formale
Demokratie ein. D.h. die Behauptung, da©¬, um die wirtschaftliche
Wettbewerbsfahigkeit des Kapitals zu verstarken, sei es notwendig,
Arbeitsgesetze zugunsten der Okonomie zu revisionieren und die Amoralitat der
Regierung beim Gesetzgebungsproze©¬, wie die Ignorierung der Ergebnisse der
achtmonatigen sozialen Diskussionen und die Verrechtlichung se ohne
parlamentarische Diskussion sind kein blo©¬er Blodsinn, sondern fur die
Regierung eine wirkliche Notwenigkeit.

die Verlebendigung der Okonomie ist fur den Staat die Uberlebensfrage.

Also, die neuen Arbeitsgesetze sind Angriffsmittel fur die Zerstorung der
sozialokonomischen Demokratie, die seit dem ArbeiterInnenaufstand 1987, wenn
auch nur in Ansatzweise, in Gang gesetzt worden ist.


III Zur Charakterisierung des Kampfes

III.1 Subjekte des Kampfes

Der Kampf wird vom KCTU initiiert, geleitet und unterstutzt von Minjungbewegung
und von der Masse.

III.2 Ziele des Kampfes

Das erklarte minimale Ziel des Kampfes ist die Rucknahme der revisionierten
Arbeitsgesetze und Staatssicherheitsgesetze. In dem Sinne ist der Generalstreik
ein politischer Kampf, der sich gegen die staatliche Machtausubung richtet.

Der Kampf hat noch tiefere und grundsatzlichere Ziele. Er richtet sich
einerseits gegen die anti-demokratische und anti-arbeitnehmerische Regierung
und andererseits fur die sozialokonomische Demokratisierung der Gesellschaft.
- fur die Arbeiterklasse geht es beim Arbeitskampf 96/97 nicht einfach um die
Legalitat oder Illegalitat des Gesetzgebungsprozesses, sondern wesentlich um
die organisierte Wut gegen die kapitalakkumulationsbedingten "Leiden und
Unsicherheit".
- "legal, illegal, schei©¬e egal", dieser Satz trifft genau der Einstellung der
Arbeiterklasse zu, die die totale Verungultigung der revisionierten
Arbeitsgesetze uberhaupt fordert.
-- aber den Streikfuhrern des FCTU herrscht der ?Legalismus" auf.

Im konkreten Kampfproze©¬ haben die ArbeiterInnen und Gewerkschaften ihre
Forderungen auf die formale (politische) und reale (sozialokonomische)
Demokratisierung in die Klasseninteressen integriert. Die Klasseninteressen
treten in Form der politischen Auseinandersetzung auf und geben damit dem
Generalstreik den politischen Charakter.

Der Kampf, der von den Klasseninteressen motiviert ausgeht, entwickelt sich zu
den solidarischen Kampfen der ArbeiterInnen und Minjung. In dem Sinne ist der
Kampf nicht mehr eine ?alltagliche" Gewerkschaftsbewegung, sondern vielmehr
eine neue Art des Kampfes fur die Demokratisierung der Gesellschaft.

III.3 Strategien des Kampfes

Ein wichtig zu betonender Punkt ist, da©¬ der Kampf ein geplanter bzw.
organisierter ist.

III.4 Vergleich mit dem ?Juni-Kampf? und dem ArbeiterInnenaufstand Juli-August
1987

1) Subjekte der Bewegung: Studenten und Masse als Burger vs. ArbeiterInnen als
Klasse.

2) Hauptziele der Bewegung: Bekampfung der formalen Demokratie(des Prinzips der
direkten Prasidentenwahl) vs. Bekampfung der formalen und realen (i.S. der
sozialokonomischen) Demokratie.

3) Art und Weise der Kampfe: Explosion der unorganisierten Wut gegen die mehre
jahrzehntelange Unterdruckung und Ausbeutung vs. Organisierte Wut gegen die
neo-liberalen Angriffe des Kaptals und gegen das Kim-Regime als den
politischen Exekutor der neo-liberalistischen Ideologie

4) Ergebnisse: politische Demokratisierung i.S. des Eintritts des
nichtmilitarischen Regimes und seine Ubernahme des politischen Hegemonie vs.
Enttarnung der Wirklichkeit seiner Reformpolitik


IV Bedeutungen des Kampfes

IV.1 historische Bedeutungen fur die sudkoreanische ArbeiterInnenbewegung

IV.1.1 Reaktionsschnelligkeit, Langatmigkeit und Harte

- Analyse der Grunde:
objektiver Grund: ?blutige Flexibilisierung" der Arbeit: Versuch fur die
Postmodernisierung der Vormoderne subjektiver Grund:
- Beibehaltung der Kampferfahrungen 1987,
- Krisenbewu©¬tsein der ArbeiterInnen und Gewerkschaften, da©¬ die
Gewerkschaftsbewegung in die Tiefe gelandet ist.

IV.1.2 Erstmaligkeit des gesamtnationalen Generalstreiks nach dem Koreakrieg

- Solidaritat der ArbeiterInnen als eine Klasse: der erste gemeinsame Kampf der
beiden Dachverbande der Gewerkschaften, die seit der Grundung des KCTU
gewisserma©¬en gegeneinander konkurriert haben; der erste Streik des FKTU
seit seiner Grundung 1946
- Uberwindung der organisatorischen Probleme wie des Prinzips der
betriebsgewerkschaftlichen und regionalen Organisationsformen
- Uberwindung der Unterschiedlichkeit (Kampferfahrungen, Kampfpotential,
Lohnunterschiede und technische Ausstattung des Arbeitsprozesses u.a.)

IV.1.3 Befestigung des gesellschaftlichen Stellenwerts des KCTU
- Er fa©¬t den Fu©¬ im Kopf und Herzen der ArbeiterInnen als der elementare
Bestandteil der ArbeiterInnenbewegung Koreas.
- Ubernahme der leitenden Position bei den Sozialbewegungen, die bis dahin
hauptsachlich die Studentenbewegung inne hatte.

IV.1.4 Verwirrungen in den konservativen Oppositionsparteien und burgerlichen
Sozialbewegungen die bis dahin von den 'radikalen' ArbeiterInnenbewegungen
distanziert haben.
- fur sie ist die Revision der Arbeitsgesetze ?hei©¬e Kartoffel"; sie
kritisieren ja die ?Illegalitat des Verabschiedungsprozesses, aber schweigen
sich, wenn es um den wirklichen Inhalt der Revision geht.

IV.2 Bedeutungen fur die internationalen ArbeiterInnenbewegungen

1) Globalisierung der Okonomie kann die materielle Basis fur die gemeinsamen
Kampfe der ArbeiterInnen auf der globalen Ebene bedeuten. Erwecken der
Erkenntnisse bei den ArbeiterInnen aller Lander, da©¬ sie nicht allein und
isoliert kampfen, sondern der Kampf gegen die neo-leiberalen Offensiven ein
weltweites Phanomen ist.

2) realpolitischer Beweis dafur, da©¬ die Strategie der Verstarkung der
internationalen Wettbewerbsfahigkeit des Kapitals und die Einfuhrung des
lean-production-Systems nicht nur eine okonomische, sondern eine politische
Strategie sind und sie eine abhangige Variable der politischen
Machtverhaltnisse zwischen Kapital/Staat und Arbeit sind.

3) Partizipation an den weltweiten Arbeitskampfen gegen die neo-liberalen
Angriffe

4) Schaffung eines Modells fur den ArbeiterInnenaufstand gegen die reaktionaren
Offensiven des herrschenden Blocks: nicht nur Unterstutzungs- oder
Protesterklarung, sondern auch
aktivere Kampfhandlung ist die wirkliche internationale Solidaritat.

5) Normalisierung der Grundrechte der ArbeiterInnen und Gewerkschaften ist
weltweit zu verwirklichen. aber nicht in dem Sinne, dadurch internationale
Wettbewerbsfahigkeit der ?eigenen" Unternehmen und Nation zu verstarken.


V Probleme

V.1 Trennung des Kampfes gegen den Staat von dem gegen das Kapital.

Freilich war der Anfang des Kampfes motiviert von der Wut gegen die ?foul play"
der Regierung beim Gesetzgebungsproze©¬. Wahrend des Streiks haben daher einige
am Streik beteiligten Gewerkschaften ihre Arbeit weiter gemacht, denn sie der
Meinung waren, da sie nicht gegen die Arbeitgeber, sondern gegen die Regierung
kampfen. In dem Sinne definieren sie diesen Kampf als 'politischen Streik'.
Zuzustimmen ist, da©¬ derartige Kampfstrategie die Moglichkeit vergrößern
konnte, die Herrschenden zu spalten.

Dies rechtfertigt aber die gangige Strategie des KUTC nicht, ihr Kampfe (fast)
ausschlie©¬lich gegen die Regierung zu richten. Und dies soll aber auch nicht
bedeuten, da©¬ der Kampf gegen die Regierung nicht der Kampf gegen das Kapital
sein soll. Sie sind in ihrem Wesen eine untrennbare Einheit, die nur au©¬
erlich anders aussehen. Und im konkreten Kampfproze©¬ waren sie uberhaupt nicht
gespaltet, sondern helfen mit- und fureinander. Okonomie und Politik sind nicht
voneinander zu trennen. lean production ist keine reine okonomische Sache,
sondern schon eine politische.

V.2 Strategie des 'strategischen Ruckzugs'
und zwar gerade in der Phase, wo die Streikwelle
in die Spitze kam und die Volksmasse den Streik zu unterstutzen begann(Siehe
Chronik).

Freilich war diese Strategie eine flexible Strategie, die die au©¬ere Grenze
der Kampfkraft der ArbeiterInnen entsprechen wurden. Wichtiger ist aber die
Tatsache, da der Generalstreik nicht allein von Gewerkschaften ausgefuhrt
worden war. Die gesamte Gesellschaft war dafur, naturlich ausgenommen von
einigen wenigen.

Der Einwand des KCTU fur diese Strategie, da©¬ sie durch den Generalstreik das
Interesse der Nation und das des Volkes nicht verletzen will, ist jedoch der
Beweis dafur, da©¬ der KCTU die nationalistische Ideologie inzwischen
verinnerlicht hat.

Diese Strategie erlaubt aber fur die Arbeitgeber Raum und Zeit fur den
Gegenangriff. Sie haben angefangen, aktive Teilnehmer zu entlassen oder sie
anzuklagen (ca. 400 Personen), Lohne fur den Zeitraum des Streiks nicht zu
bezahlen u.a.

Dadurch wurde der Kampf am Hohepunkt gestoppt und die politische Hegemonie
ubernahmen die Regierung und die konservativen Parteien. Sie verhandeln uber
die Revision der Arbeitsgesetze ohne aktive Teilnahme der ArbeiterInnen.

Dies wirkt auf die Gewerkschaften negativ zuruck. Sie mussen diese Probleme
irgendwie losen, welches aber ohne kollektiven Kampf kaum moglich sein konnte.
D.h. der Front zwischen Arbeiterklasse, unterstutzt von der Volksmasse, und
Staat/Kapital verschiebt sich von der sozialokonomischen und demokratischen
Gestaltung der Gesellschaft zu einer Problematik der Schutz der ArbeiterInnen
vor dem Gegenangriff von Staat/Kapital.

praxisorientierte Kritik, Kontrolle des Handlungspotentials der Masse der
ArbeiterInnen durch den KCTU, unter dem Einwand, ArbeiterInnen seien nicht
bereit bzw. nicht in der Lage, weiter zu bestreiken. D.h. der KCTU hat nicht
richtig begriffen, in welcher Lage die Masse der ArbeiterInnen liegt und was
sie eigentlich will.

- theoretische Kritik, Die quantitativen Indizien, wie Organisationsgrad,
Zahlen der Streiks bzw. Arbeitszeitverlust durch Streiks u.a. sind nur die
Indizien uber die in Sicht gekommenen Handeln. Mit deren Hilfe kann man das
Potential nicht begreifen, wenn dann nur teilweise.


VI Zusammenfassung und Perspektive

Was durch den Generalstreik 96/97 erwiesen sind,

1. 'Es gibt keinen Frieden zwischen ArbeiterInnen und Kapital'. Dies ist eine
der vielen Lehre, die bei diesem Kampf den ArbeiterInnen noch klarer geworden
ist.

2. "Arbeit-Kapital-Beziehungen entwickeln sich nicht einlinig von einer
kampferischen zu einer kooperativen, sondern vielmehr der soziale Konsens kommt
immer krisenhaftig, entsprechend den Machtverhaltnissen zwischen den beiden in
jeweiligen Phasen vor. Und da der so erreichte soziale Konsens weder perfekt
noch befestigt ist, läßt sich sein Niveau entsprechend den veranderten
Machtverhaltnisse entscheiden und kann er auch vernichtet werden"(Nam, K.-H.
1997).

3. Lean production als Mittel fur die Verbesserung der Verwertungsbedingungen
des Kapitals und Neo-Liberalismus als Ideologie des Kapitals. Die haben aber,
wider ihrer Absicht, die Rolle der elementaren Bestandteile der Reaktivierung
der ArbeiterInnenbewegungen, die nach dem Aufstand 1987 gewisserma©¬en in die
Defensive gegangen waren.

Entstehung eines neuen politischen Klimas und neuerer Aufgaben der
Gewerkschaften

Durch diesen Kampf hat die koreanische Arbeiterklasse gegen den Versuch der
Regierung und des Kapitals erfolgreich abgewahrt, wenn auch fur kurzfristig,
das Leben der ArbeiterInnen und Aktivitaten der Gewerkschaften abhangige
Variable der Kapitalbewegung zu machen.

Es ist aber noch nicht sicher, ob die erklarten Ziele der ArbeiterInnenbewegung
erreichbar sind.

Dafur sind notwendig

- kurzfristige Strategie zur Uberwindung der neuen Machtkonstellation, die
durch die Konkursmeldung einer Chaebol (?okonomische Krise"), Asylsuche eines
nordkoreanischen Chefideologen (?politische Krise", verursacht durch die
Systemkrise Nordkoreas) entstand und negativ auf die ArbeiterInnenbewegung
wirken kann. Kapital und Staat bereiten ihrerseits auf neuere Strategien vor,
die sich flexible und sanft aussehen(z.B. Korrekturma©¬nahmen wie die
finanzielle Unterstutzung fur die Entlassenen, Legitimierung der neuen Gesetze
durch die Teilnahme der konservativen Oppositionsparteien am Gesetzgebungsproze
©¬ u.a.).

Wirkliche Zugestandnisse seitens von Staat und Kapital sind nur moglich, wenn
sie ihre Herrschaft von Wurzel her erschuttert sehen. Daher wurde nur dann der
Weg zum Sieg geoffnet, wenn die ArbeiterInnen an ihrer Solidaritat nationaler
und internationaler Ebene unbegrenztes Vertrauen geben und den anti- oder
nichtkapitalistischen Weg gehen.



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